Umgang mit Lampenfieber

März 2018

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Lampenfieber unter Lehrenden ist weit verbreitet. Es betrifft insbesondere Nachwuchslehrende, da Lampenfieber zumeist durch Lehrerfahrung – d.h. durch die kontinuierliche Konfrontation mit der angstauslösenden Situation – abnimmt.[1] Lampenfieber kann sich von leichter Nervosität bis zu ausgeprägter Angst verstärken (z.B. zu Semesterbeginn). Dieser Eintrag stellt verschiedene Techniken vor, diesem Stress entgegenzuwirken. Da Lampenfieber in den meisten Fällen nicht vollständig verschwindet, ist das zweite Ziel (neben Angstreduktion), die Lehrveranstaltung trotz Angst dennoch gut zu meistern und in der Lehrsituation handlungsfähig zu sein.

1. Definition und Wirkung

Lampenfieber bedeutet „innere Angespanntheit unmittelbar vor einer Situation, in der man sich zu bewähren hat“.[2] Vor einem Auftritt vor Gruppen ist der Körper oft angespannt, was die betroffene Person eher als unangenehm empfindet. Doch Lampenfieber ist nicht zwangsläufig negativ. Es kann Aufmerksamkeit steigern und die Konzentration erhöhen[3], was insgesamt zu einer besseren Leistung befähigt als ein entspannter Zustand.

Der Angst, vor einer Gruppe von Leuten zu reden, liegt meist ein einfacher Prozess zu Grunde. Dabei spielen negative Gedanken eine dominante Rolle. Bewerten und interpretieren Lehrende eine Lehrsituation negativ, so kann das zu emotionalen und körperlichen Veränderungen führen (z.B. Herzklopfen, Zittern, schwitzende Hände).[4] Auch sprachliche Auffälligkeiten können auftreten, wie Stottern, sehr schnelles Sprechtempo oder übermäßiger Gebrauch von Füllwörtern (ähm, also, irgendwie, im Prinzip, etc.).

Man nimmt diese Veränderungen wahr und bewertet sie (z.B.: „Jetzt sehen die Studierenden, dass ich aufgeregt bin und nehmen mich nicht ernst“). Dadurch verstärken sich die körperlichen Symptome, die Angst nimmt zu und man denkt an weitere negative Konsequenzen. In so einem Zustand befinden sich Lehrende in einem Angstkreislauf[5] und hemmen sich selbst (siehe Eintrag „Selbstwirksamkeitserwartungen“). Doch es gibt Wege, wie man aus diesem Kreislauf ein Stück weit ausbrechen kann. Verschiedene Techniken - von Atemübungen bis Gedankenregulation - können Angst reduzieren und/oder dabei helfen, mit ihr besser umzugehen

2. Praxistipps zum Umgang mit Lampenfieber

Versuchen Sie herauszufinden, was Ihr Selbstvertrauen und Ihre Rollenfindung als Lehrperson stärkt. Für manche ist es ein bestimmter Kleidungsstil, in dem man sich vor Publikum wohl fühlt, oder eine als stimmig wahrgenommene Anredeform (Du/Sie). Einige der folgenden Anregungen werden für Sie – je nach Persönlichkeit – passender sein als andere. Probieren Sie jene aus, die Sie schon beim Lesen ansprechen, und überlegen Sie selbst, was Sie im Umgang mit Lampenfieber am besten unterstützt.

2.1 In der Vorbereitung der Lehrveranstaltung (kurz- bis mittelfristig)

Genaue Vorbereitung und Üben - Üben - Üben

  • Die erste Lehreinheit im Semester sollte prinzipiell gut vorbereitet sein. Neben den Studierenden profitieren auch Sie selbst besonders von dieser Vorbereitung, wenn Sie Lampenfieber haben. Ein detaillierter Ablaufplan der ersten Einheit kann Ihnen ein Gefühl von Sicherheit vermitteln. Eine akkurate Vorbereitung erhöht Ihre Handlungsfähigkeit, was wiederum Ihr Lampenfieber reduziert. Meist nehmen die Studierenden die Lehrperson sogar als souverän wahr und bemerken die Nervosität nicht.
  • Üben Sie Ihren Einstieg (insb. die ersten 10 Minuten) bzw. Ihre Vortragselemente, um ein Gefühl dafür zu bekommen, welche Formulierungen Sie wählen möchten. Wenn Sie das Gefühl haben, sich selbst viel kritischer zu bewerten als es andere täten, bitten Sie gute KollegInnen, FreundInnen oder Familienangehörige, Ihnen Rückmeldung auf Ihr Auftreten (Sprechen, Körpersprache) zu geben. So können Sie Diskrepanzen der eigenen (negativen) Ansicht und der Außenperspektive vermindern und damit Ihren eigenen negativen Bewertungen entgegenwirken.[6]

Lehreinheit in Gedanken durchgehen

  • Vielen Lehrenden hilft es, sich die Lehrsituation konkret in ihrem Ablauf vorzustellen: „Wie reagieren die Studierenden? Wie reagiere ich wiederrum darauf?“ Sie können alle möglichen Szenarien durchspielen und sich dadurch selbst verdeutlichen, dass die Situationen durchaus zu ertragen sind und Sie geeignete Vorgangsweisen parat haben.[7]

Bedeutung von Missgeschicken nicht übertreiben

  • Oft sind befürchtete Szenarien nicht so schlimm wie erwartet, wenn man sie genauer betrachtet. Denken Sie daher Ihre Gedanken zu Ende und fragen Sie sich: Was passiert, wenn Sie eine Frage nicht beantworten können, den Faden verlieren oder beim Sprechen nicht mehr aus einem Schachtelsatz herausfinden? Wäre das wirklich so schlimm?
  • Machen Sie sich bewusst, dass das prinzipiell allen passieren kann, Sie dennoch eine Menge wissen und das nicht bedeutet, dass Ihre gesamte Lehreinheit schlecht war. Bei einem Schachtelsatz brechen Sie ab und beginnen Sie einfach von neuem.
  • Diese realistischen Gedankengänge können die Bedeutung von Missgeschicken kalibrieren helfen, um aus dem Angst-Kreislauf ein Stück weit auszubrechen.

Unwahrscheinlichkeit der befürchteten Szenarien erkennen

  • Häufig denken Lehrende mit Lampenfieber ausschließlich an mögliche Extremsituationen und überschätzen, wie wahrscheinlich das Eintreten ihrer Befürchtungen ist.[8]
  • Reflektieren Sie daher, wie realistisch es wirklich ist, dass es zu einer bestimmten, befürchteten Situation kommt. Wenn Sie bereits über Lehrerfahrung verfügen, kann es hilfreich sein, sich an vergangene Lehrveranstaltungen zu erinnern und zu erkennen, dass die meisten Ereignisse nicht als extrem einzustufen sind.

Weitere mittelfristige Methoden, mit Lampenfieber besser umzugehen

  • Als Erweiterung der eigenen Imagination („Wie würde ich in dieser oder jener Lage vorgehen?“) bieten sich Simulationen/Rollenspiele an, um die angstauslösenden Lehrsituationen tatsächlich durchzuspielen. Auch in der Teilnahme an Improvisationstheater üben Sie gezielt, mit wenig vorhersehbaren Situationen spontan umzugehen.[9]
  • Autosuggestion bedeutet, dass eine Person eine Phrase findet bzw. entwickelt, die sie aufbaut und ihre Gedanken zu sich selbst positiv beeinflusst. Dies wirkt sich auf Gefühle und Verhalten aus. Durch Autosuggestion wird eine positive Grundhaltung und Wertung mit sich selbst suggeriert und kann dazu beitragen, das Selbstbewusstsein zu stärken.[10]
  • Mithilfe von Achtsamkeitsübungen (z.B. Meditation, Yoga, autogenes Training) lernen Sie sich zu entspannen und Ihre Gedanken zu ordnen. Indem Sie sich auf Ihre eigene Person konzentrieren und Ihre Aufmerksamkeit fokussieren, kann sich Ihre allgemeine Umgangsweise mit Stress verbessern. Wichtig ist hierbei die Regelmäßigkeit der Übungen, um eine bemerkbare Wirkung zu erzielen.[11] 

2.2 Kurz vor der Lehrveranstaltungs-Einheit (kurzfristig)

Räumlichkeiten kennenlernen

  • Machen Sie sich mit den räumlichen Gegebenheiten vertraut (Anordnung der Tische, Bestuhlung).
  • Überprüfen Sie ein paar Tage vor Ihrer ersten Einheit, wie die nötigen Geräte vor Ort (Computer, Beamer, Mikrofon, Lautsprecher, Internet- und USB-Anschluss) funktionieren.

Fokus auf positive Vorerfahrungen – Selbstwirksamkeit stärken

  • Rufen Sie sich Erfahrungen in Erinnerung, in denen Sie erfolgreich gelehrt haben (Mastery-Erfahrungen). Wenn Sie noch nicht über Lehrerfahrung verfügen, können Erinnerungen an Konferenzpräsentationen oder Referate als StudentIn helfen. Durch den Fokus auf Erfolge können Sie eine positive Einstellung zu sich selbst generieren und das Vertrauen in die eigenen Kompetenzen stärken.
  • Zusätzlich kann man auch daran denken, wie andere Lehrpersonen vorgehen, die erfolgreich in ihrem Tun sind (stellvertretende Erfahrungen).
  • Durch beide Vorgehensweisen gewinnen Sie Anhaltspunkte, wie Sie die Lehrsituation gut meistern – weil Sie ein lebendiges Bild vor Augen haben, auf welche Weise Sie selbst oder eine andere Person es bereits in der Vergangenheit geschafft hat (siehe auch Eintrag „Selbstwirksamkeitserwartungen“).

Körperübungen kurz vor der Lehrveranstaltung

  • In der letzten Viertelstunde vor Lehrveranstaltungs-Beginn kann eine bewusste Körperhaltung zu mehr Selbstsicherheit beitragen.[12] Bevor Sie sich auf den Weg zum Hörsaal machen, nehmen Sie beispielsweise im Büro eine Minuten lang eine selbstbewusste Körperhaltung (oft als Power-Pose bezeichnet) ein. Stellen Sie sich aufrecht hin, Brust heraus, Kinn angehoben, Schultern nach unten.
  • Um Ihrer Anspannung entgegenzuwirken, ballen Sie Ihre Hände mehrmals fest zu Fäusten und lösen Sie sie wieder.

2.3 Während der Präsenzeinheit

Zeit nehmen – Stress entgegenwirken

  • Machen Sie sich bewusst, dass Sie auch während der laufenden Präsenzeinheit weniger unter Zeitdruck stehen, als Sie vielleicht denken. Vergessen Sie nicht, ab und zu bewusst ein- und auszuatmen. Das hilft, sich zu beruhigen und den Puls zu verlangsamen.[13] Auch ein Schluck Wasser während des Sprechens kann Ihnen das Gefühl geben, den Stress aus der Situation zu nehmen.
  • In prüfungsimmanenten Lehrveranstaltungen können Sie weitgehend entscheiden, wie lange Ihre eigenen Inputphasen dauern. Aktivierende Methoden und interaktive Elemente (Gruppen- und Einzelarbeiten) sind nicht nur für den Lernprozess der Studierenden förderlich, sondern bieten auch Ihnen als Lehrperson die Möglichkeit, für bestimmte Phasen aus dem Frontalvortrag auszusteigen. Obwohl Lehrende auch während dieser aktiven Arbeitsphasen der Studierenden gefordert sind und mit Fragen von einzelnen Personen oder Gruppen konfrontiert sein können, gibt es Lehrenden mit Lampenfieber doch eine Erholungsmöglichkeit, wenn sie gerade das Sprechen im Plenum als stressig erleben. Sie haben Gelegenheit, sich kurz zu sammeln oder ihre Notizen für den weiteren Verlauf durchzulesen.
  • Wenn Sie Fragen von Studierenden nicht unmittelbar beantworten können, nehmen Sie sich die Zeit, die Sie brauchen – indem Sie…
    • die Frage an Studierende (z.B. die Gesamtgruppe) zurückspielen,
    • Sie zur Beantwortung eine E-Mail schicken werden oder
    • ankündigen, dass dieser Punkt zu einem späteren Zeitpunkt behandelt wird.

Konzentration auf sympathische Studierende (positiver Anker)

  • Konzentrieren Sie sich auf jene Studierende in der Gruppe, die auf Sie sympathisch und motiviert wirken.

Selbstbewusste Körperhaltung und Raumaneignung

  • Nehmen Sie eine aufrechte Haltung ein und stehen Sie mit beiden Füßen fest auf dem Boden.
  • Wenn Sie nicht wissen wohin mit Ihren Händen, halten Sie einen Stift oder Ihre Notizen. Falls Sie befürchten, dass der Zettel in der Hand für Studierende leicht ersichtlich macht, dass Ihre Hände zittern, belassen Sie Ihre Unterlagen einfach auf dem Tisch.
  • Vielen Lehrenden hilft es, Raum einzunehmen und sich im Hörsaal zu bewegen, während sie mit den Studierenden sprechen. Bewegungen können auflockern und die eigene Rolle als LehrveranstaltungsleiterIn unterstreichen. Fühlen Sie sich aber nicht dazu verpflichtet, wenn Sie sich hinter dem eigenen Tisch wohler fühlen. Oft hilft es in dieser Entscheidung, sich am eigenen Raumnutzungsverhalten in unbefangenen Situationen zu orientieren.[14]

Überlegter Einstieg (Selbstvorstellung, Anredeform)

  • Ein wohl überlegter Einstieg in die erste Einheit kann Ihre Selbstsicherheit stärken. Nutzen Sie die Begrüßung und die Vorstellung Ihrer eigenen Person, um bereits am Anfang auf eine Atmosphäre hinzuwirken, in der Sie sich wohl(er) fühlen. Erzählen Sie von Ihren Interessen, Ihren Forschungsschwerpunkten (z.B. dem Thema Ihrer Dissertation) oder von Ihren Überlegungen beim Planen dieser Lehrveranstaltung – inkl. Ihrer eigenen Freude am Thema (siehe auch Eintrag „Vorstellungsrunde und Kennenlernen“). Nachwuchslehrende mit Lampenfieber haben erfahrungsgemäß die Tendenz, sich vor allem defizitär vorzustellen (z.B. als eine Person, die noch nicht zuvor gelehrt hat) und auf andere Aspekte schlicht zu vergessen.
  • Es kann jedoch sein, dass Ihnen gerade das Offenlegen Ihrer Unerfahrenheit in der Lehre mehr Sicherheit gibt. Manche Personen erleben es als entlastend, ihre Nervosität zuzugeben.
  • Teil des Einstiegs ist auch die Wahl der Anredeform (Du/Sie). Eine für Sie stimmige Entscheidung zum Duzen oder Siezen kann Ihre Selbstsicherheit unterstützen und zu Ihrer Rollenfindung als Lehrperson beitragen (siehe auch Eintrag „Du oder Sie?“).

3. Hinweis: Workshopangebot und Praxiscoaching

  • Mehrere Workshops der Reihe "Teaching Competence" können Sie im besseren Umgang mit Lampenfieber unterstützen (siehe insb. Themenbereich "Diversität und soziale Kompetenzen"). Je nach Workshop üben Sie Ihr Auftreten vor Gruppen (ggf. mit Videoaufzeichnung), diskutieren schwierige Situationen in der Lehre oder erhalten von Kolleg*innen Rückmeldungen auf Ihre (Körper-)Sprache.
  • Wenn gerade Ihre erste eigene Lehrveranstaltung bevorsteht, stellt das Praxiscoaching eine Möglichkeit dar, um sich mit anderen Nachwuchslehrenden über Ihre Erfahrungen beim Einstieg auszutauschen.

Quellen

[1] Vgl. Ude, Greta, Holger Prüß, Kirsten Richardt und Sandra Neumann. „Die Angst vor dem Sprechen – eine Untersuchung zur Wirksamkeit des Angstabbaus im Rahmen der Bonner Stottertherapie“. Forschung Sprache 3, Nr. 2 (2016): 20-35.

[2] Dudenredaktion (o. J.): „Lampenfieber“ auf Duden online. URL: www.duden.de/rechtschreibung/Lampenfieber [letzter Zugriff 21.10.2019]

[3] Sator, Sigrid. Ist Redeangst das Gleiche wie Lampenfieber? Satormedia Medientraining & Rhetorik, 2013. www.satormedia.com/ueber-mich/news/details/article/ist-redeangst-das-gleiche-wie-lampenfieber.html [letzter Zugriff 10.01.2018].

[4] Wittchen, Hans-Ulrich und Jürgen Hoyer, Hrsg. Klinische Psychologie & Psychotherapie. Berlin: Springer, 2011.

[5] Schmitdt-Traub, Sigrun, Hrsg. Zum Verständnis von Angst. Berlin: Springer, 2013.

[6] Carney, Dana R., Amy J.C. Cuddy and Andy J. Yap. “Power posing: Brief nonverbal displays affect neuroendocrine levels and risk tolerance” Psychological Science 21, Nr. 10 (2010): 1363-1368.

[7] Pollay, Antje, Hrsg. Konzeption, Durchführung und Evaluation eines integrativen Trainings zum Abbau von Redeangst. Hamburg: Diplomica Verlag GmbH, 2011.

[8] Wittchen und Hoyer. Klinische Psychologie & Psychotherapie. [4]

[9] Carney et al. “Power posing”. [6].

[10] Arnold, Rolf H. Erfolg mit Autosuggestion: Wie Sie die unermessliche Kraft Ihres Unterbewusstseins zu Ihrem besten Helfer machen. Berlin: epubli, 2016.

[11] Wittchen und Hoyer. Klinische Psychologie & Psychotherapie. [4]

[12] Prost, Winfried, Hrsg. Rhetorik und Persönlichkeit. Wie Sie selbstsicher und charismatisch auftreten. Wiesbaden: Gabler, 2010.

[13] Pollay. Konzeption, Durchführung und Evaluation eines integrativen Trainings zum Abbau von Redeangst. [7]

[14] Prost. Rhetorik und Persönlichkeit. [12]

Empfohlene Zitierweise

Center for Teaching and Learning: Umgang mit Lampenfieber. Infopool besser lehren. Universität Wien, März 2018. [https://infopool.univie.ac.at/startseite/universitaeres-lehren-lernen/umgang-mit-lampenfieber/]

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