Lehre planen (5)

Barbara Louis

Juni 2023

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Lehrveranstaltungen sequenzieren

1. Warum ist eine gute Sequenzierung wichtig?

Wenn Sie die Inhalte und Lehr-/Lernaktivitäten für Ihre Lehrveranstaltung ausgewählt haben, stehen Sie vor der Frage, in welcher Reihenfolge diese behandelt werden sollen. Denn auch eine geeignete Sequenz, in der sich die Studierenden mit den Inhalten einer Lehrveranstaltung auseinandersetzen, unterstützt ihren Lernerfolg. Konkret kann eine gute Sequenzierung folgendermaßen wirken:

  • Sie unterstützt Studierende beim schrittweisen Aufbau ihres Wissens und ihrer Kompetenzen. ·
  • Mittels einer geeigneten Sequenz an Inhaltsvermittlung, Wiederholungen, Übungsmöglichkeiten und Feedbackschleifen können Studierende Gelerntes in bestehendes Wissen integrieren und dauerhaft festigen.
  • Gut überlegt und klar kommuniziert hilft eine guten Sequenz Studierenden, in der LV die Orientierung zu behalten.
  • Dadurch steigen die Chancen, dass sie motiviert bleiben, konstant mitlernen und auch in schwierigen Phasen nicht aufgeben.

Wichtig dabei ist, dass die Studierenden die zugrundeliegende Logik verstehen und sie nicht als zufällig oder willkürlich erleben. Das können Sie erreichen, indem Sie zu Beginn einer LV nicht nur deren Struktur erklären, sondern auch Ihre Gründe, warum Sie sich für eine bestimmte Reihenfolge entschieden haben.

Um mit Sequenzierungsentscheidungen Ihre Studierenden bestmöglich beim Lernen zu unterstützen, hilft es, Erkenntnisse aus der Lehr/-Lernforschung zu berücksichtigen. Die Cognitive Load-Theorie [1] ist auch für Sequenzierungsüberlegungen relevant. Da Studierende Informationen anders verarbeiten als Sie als Expert*in, achten Sie besonders darauf, neue Inhalte für Studierende so zu dimensionieren, dass sie diese gut verarbeiten können, und bemessen Sie die Zeit dafür jedenfalls großzügig. Zudem ist es wichtig, Gelegenheiten für Studierende zu schaffen, diese neuen Inhalte in bereits bestehendes Wissen zu integrieren (z.B. durch das Aktivieren von Vorwissen, Diskussion von Anwendungsbeispielen, Vergleiche o.Ä.).

Studierende sollen sich jedoch Wissen und Kompetenzen nicht nur vorläufig aneignen, sondern diese(s) auch festigen. Dazu braucht es Übungs- und Wiederholungsmöglichkeiten, die lernförderlich getaktet sind. Dabei ist neben der Anzahl der Wiederholungen (mehr sind besser) auch die Abstände zwischen Übungs- oder Wiederholungseinheiten relevant ("spaced repetition" oder "spaced practice"). Längere Abstände haben sich als besonders wirksam erwiesen.[2] Versuchen Sie daher nach Möglichkeit, Wiederholungen oder Anwendungen über die Dauer der LV hinweg immer wieder einzubauen, damit die Studierenden ausreichend Gelegenheiten zur Festigung und Integration des Gelernten haben (siehe Abschnitt "Verschränkung").

Auch verschiedene Weisen der Auseinandersetzung mit Inhalten (Multimodalität und Multimedialität) unterstützen studentische Lernprozesse.[3] Sie erhalten dadurch unterschiedliche Perspektiven auf das zu Lernende. Zudem kommen verschiedenartige Zugänge Studierenden mit unterschiedlichen Lernpräferenzen zugute. Durch den vermehrten Einsatz digitaler Medien in der Lehre sind die Möglichkeiten in diesen Bereichen gestiegen, z.B. durch Videos, Audioaufzeichnungen, digitale Illustrationen, Interaktions- und Kommunikationsmöglichkeiten im digitalen Raum, z.B. auf Moodle usw.

2. Inhalte sequenzieren

2.1. Ordnungsprinzipien

Überlegen Sie, nach welchem Prinzip, das Sie den Studierenden gut kommunizieren können, Sie Ihre LV strukturieren möchten. Nachfolgend finden Sie ein beliebtes Ordnungsschema, das drei Hauptarten der Sequenzierung unterscheidet:[4]

Lerner*innenbezogen: Hier orientiert sich die Ordnung an Charakteristika und Bedürfnissen der Lernenden, etwa an der Vertraut- oder Bekanntheit eines Themas oder an den Interessen der Studierenden. Ein Beispiel: Sie beginnen eine LV mit einem Phänomen, das aktuell große Medienreichweite hat, oder mit etwas, das die Studierenden am meisten interessiert (das Interesse haben Sie zuvor z.B. in einer Vorstellungsrunde in einem Moodle-Forum erhoben). Dadurch bekommen sie sofort einen persönlichen Zugang zum Thema bzw. ist ihr Interesse geweckt. Mit abstrakteren und schwierigeren Aspekten des Themas beschäftigen Sie sich dann in weiterer Folge.

Weltbezogen: Hier orientiert sich die Ordnung daran, wie die behandelten Inhalte in der Realität (räumlich, zeitlich, physikalisch) auftreten. Beispiele dafür sind:

  • Eine LV (oder ein Teil davon) in Geographie ist entlang der Klima- und Vegetationszonen organisiert.
  • In der Geschichte folgt man oft einer zeitlichen Strukturierung, d.h. der Reihenfolge, in der Ereignisse chronologisch aufgetreten sind.
  • Eine Einführungs-LV in Geologie könnte die Härte von Mineralien als Strukturierungsmerkmal verwenden.

Konzeptbezogen: Als Expert*innen in Ihren jeweiligen Fachrichtungen bewegen Sie sich zumeist auf der Konzept- bzw. theoretischen (d.h. abstrakten) Ebene und entsprechend sind auch die Inhalte entlang der Fachlogiken organisiert. In einer einführenden Statistik-LV stehen beispielsweise die Maßzahlen der zentralen Tendenz ("Mittelwerte") auf dem Programm und Sie haben verschiedene Möglichkeiten hier vorzugehen:

  • Sie erklären das Konzept der zentralen Tendenz und gehen dann auf die einzelnen Maßzahlen (arithmetisches Mittel, Median, Modus) ein.
  • Oder sie gehen umgekehrt vor, beginnen mit einzelnen Maßzahlen der zentralen Tendenz und besprechen dann das Prinzip dahinter. Auf dieser Ebene ist es besonders wichtig, sich den Lernstand der Studierenden zu vergegenwärtigen und eventuelle Unterschiede in ihrem Denken im Vergleich zu Ihnen.

Tipp

Wenn Sie Ihre LV entlang von konzeptuellen Kriterien oder Ordnungsmustern organisieren, überlegen Sie, ob die Studierenden diese Ordnung bereits verstehen können. Vielleicht bietet sich eine Mischform an, um die Relevanz der abstrahierten Inhalte zu verdeutlichen. Im Statistikbeispiel kann es hilfreich sein, sich zuerst praktische Anwendungen von Median, Modus und arithmetischem Mittel anzusehen, die Studierende aus ihrer Alltagserfahrung kennen (lerner*innenbezogen), um danach zur Definition der zentralen Tendenz überzugehen (konzeptbezogen).

2.2. Abfolge in der LV planen

Für jede Lehrveranstaltung sind verschiedene, möglicherweise gleich gute, Abfolgen der einzelnen Lehr-/Lernelemente denkbar. Suchen Sie auch hier die für Sie persönlich und für Ihre jeweilige Studierendengruppe die passenden Variante(n) aus.

Thematische Blöcke:
In diesem beliebten Sequenzierungsschema werden einzelne Themenblöcke getrennt nacheinander durchgearbeitet, wobei am Ende jedes Blocks optional eine Leistungsüberprüfung stattfindet, z.B. ein Zwischentest. Danach wird das nächste Thema bearbeitet und am Ende der LV findet eine abschließende Leistungsüberprüfung (z.B. Abschlussprüfung, schriftliche Arbeit) statt.

Dieses Prinzip ist übersichtlich, Studierende finden sich zurecht und können sich ohne Ablenkung in ein Thema vertiefen, bevor sie sich dem nächsten zuwenden. Lehrende können Inhalte und dazugehörige Materialien (z.B. Literatur, Übungsaufgaben, Prüfungsvorbereitung) in sauberen, getrennten Paketen organisieren und den Studierenden zur Verfügung stellen.[5]

Trotz aller Beliebtheit hat dieses Ablaufschema deutliche Nachteile, die den Lernerfolg der Studierenden beeinträchtigen können, wenn Sie nicht bewusst gegensteuern:

  • Da die Themenblöcke getrennt voneinander abgehandelt werden, vergessen Studierende tendenziell zuvor Gelerntes.
  • Thematische Verbindungen zwischen den Themenblöcken werden leicht vernachlässigt, weil sie nicht als Teil des Sequenzierungsmodells angelegt sind. Oft sind solche Verbindungen aber in den Lehr/-Lernzielen enthalten und werden auch geprüft, d.h. in diesem Fall sollten Sie ganz besonders darauf achten, Lerngelegenheiten dafür zu schaffen.

Verschränkung ("Interleaving"):
Rückgriffe auf frühere Themen können Sie systematisch durch lernförderliche Wiederholungen in das Kursdesign einbauen, somit verschränken Sie neue mit früheren Inhalten.[6] Die Herausforderung hierbei ist eine gute Balance, sodass die Studierenden zwar genügend Wiederholungsmöglichkeiten bekommen, aber die Lehrveranstaltung durch die Rückgriffe auf frühere Themen nicht unübersichtlich und verwirrend wird.

Die Gestaltungsoptionen sind vielfältig:

  • Wenn Sie neue Inhalte präsentieren, bieten sich Rückgriffe auf frühere Themen entweder durch kurze Wiederholungen der Hauptpunkte an, oder durch Vergleiche oder Kontrastierungen (entweder in Ihrem Vortrag; oder Sie geben diese als Diskussionsaufgaben, dann müssen die Studierenden das zuvor erarbeitete Wissen selbst aktivieren).
  • Sie können Rückgriffe auch immer wieder in Aufgabenstellungen und Teilleistungen einbinden und so an den passenden Stellen mit den neu dazugekommenen Themen verknüpfen. Das können kurze schriftliche Aufgaben oder Diskussionen (oder auch Präsentationen) sein, in denen wie oben Inhalte verglichen oder kontrastiert werden; oder Studierende sollen zuvor behandelte Theorien, Konzepte oder Methoden auf ein jetzt behandeltes Phänomen anwenden.

Beispiel

In einer Übung zu Methoden empirischer Sozialforschung stehen quantitative Methoden, qualitative Methoden und Mixed-Methods-Ansätze auf dem Programm.[7]

  • Variante A: Eine beliebte Vorgehensweise würde folgendermaßen aussehen: Sie nehmen die drei Themen nacheinander durch (Blockansatz) und unterteilen diese jeweils in einen Einführungs-, Diskussions- und Anwendungsteil. Jeder Block endet mit einem kurzen Zwischentest zum jeweiligen Thema; zu Semesterende machen Sie eine Leistungsüberprüfung über den gesamten Semesterstoff.
    Typische Schwierigkeiten: Das erste Thema dauert viel länger als geplant, sodass die beiden anderen Blöcke nur mehr angerissen werden können. Oder aber Sie waren sehr diszipliniert, haben Ihren Zeitplan durchgezogen und merken beim Abschlusstest, dass den Studierenden die Inhalte vom Semesterbeginn kaum mehr präsent waren.
  • Variante B: Alternativ bleiben Sie zwar bei dieser grundlegenden Reihenfolge, allerdings verknüpfen Sie neue Inhalte systematisch mit zuvor behandelten Themen. Die denkbaren Gestaltungsmöglichkeiten sind vielfältig, hier ein paar Beispiele:
    • Sie machen die Einführung und Diskussion von quantitativen Methoden, gehen dann aber gleich zur Einführung der qualitativen Methoden weiter. Als Aufgabe diskutieren die Studierenden im Moodle-Forum diese beiden Forschungsmethodologien gemeinsam (oder sie schreiben individuelle Reflexionen dazu).
    • Die Übung zur Anwendung der beiden wird kombiniert: Die Studierenden nehmen ein Forschungsthema und formulieren eine Forschungsfrage, die mit quantitativen Methoden beantwortet werden kann und eine aus dem gleichen Themenbereich, für deren Beantwortung sich qualitative Methoden eignen.
    • Sie planen großzügig Zeit für den Mixed-Methods-Teil ein, um die Grundlagen aus den ersten beiden Teilen ausführlich zu wiederholen.
    • Da Sie die Inhalte in den Aufgaben mehrmals wiederholen und anwenden, brauchen Sie keine Zwischentests, d.h. das Beurteilungskonzept wird sich deutlich von der Variante A unterscheiden.

Zur Sequenzierung von Teilleistungen in prüfungsimmanenten LVs finden Sie weitere Anregungen im Eintrag "Teilleistungen konzipieren", Abschnitt "Sequenzierung".

Quellen

[1] Sweller, John, und Paul Chandler. "Evidence for cognitive load theory". Cognition and Instruction 8 (1991): 351-62. https://doi.org/10.1207/s1532690xci0804_5; siehe auch Klingberg, Torkel. The Overflowing Brain: Information Overload and the Limits of Working Memory. Oxford: Oxford University Press, 2009.

[2] Vgl. Bahrick, Harry P., und Lynda K. Hall. "The importance of retrieval failures to long-term retention: A metacognitive explanation of the spacing effect". Journal of Memory and Language 52 (2005): 566-577. https://doi.org/10.1016/j.jml.2005.01.012.

[3] Mayer, Richard E. Multimedia Learning. 2. Auflage. Cambridge: Cambridge University Press, 2009; Rowsell, Jennifer. Working with Multimodality: Rethinking Literacy in a Digital Age. London [u.a.]: Routledge, 2013.

[4] Posner, George J., und Kenneth A. Strike. "A Categorization Scheme for Principles of Sequencing Content". Review of Educational Research 46, Nr. 4 (1976): 665-690.

[5] Posner und Strike, "A Categorization Scheme for Principles of Sequencing Content", [4].

[6] Hays, Lauren. "Interleaving Topics for Better Learning". The Teaching Professor, 13. September 2021. https://www.teachingprofessor.com/topics/preparing-to-teach/course-design/interleaving-topics-for-better-learning/ [letzter Zugriff 23.02.2023]; Yan, Veronica X., und Faria Sana. "Does the Interleaving Effect Extend to Unrelated Concepts? Learners' Beliefs Versus Empirical Evidence". Journal of Educational Psychology 113 (2021): 125-137. https://doi.org/10.1037/edu0000470.

[7] Adaptiert nach Hays, Lauren. "Interleaving Topics for Better Learning". The Teaching Professor, 13. September 2021. https://www.teachingprofessor.com/topics/preparing-to-teach/course-design/interleaving-topics-for-better-learning/ [letzter Zugriff 23.02.2023].

Empfohlene Zitierweise

Louis, Barbara: Lehre planen (5). Lehrveranstaltungen sequenzieren. Infopool besser lehren. Center for Teaching and Learning, Universität Wien, Juni 2023. [https://infopool.univie.ac.at/startseite/universitaeres-lehren-lernen/lehre-planen/5-lehrveranstaltungen-sequenzieren/]

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